Kehlkopflähmung bei Hund und Katze
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5. Januar 2017TPLO - Tibia Plateau Leveling Osteotomy
Ursprung
Die TPLO wurde vom amerikanischen Tierarzt Dr. Barclay Slocum in den 1980er Jahren entwickelt und –ein Novum in der Kleintierchirurgie- patentiert. In den 90er Jahren lehrte Dr. Slocum die neue OP-Methode interessierten Kleintierchirurgen und präsentierte eindrucksvolle Erfolge der TPLO. So nahmen beispielsweise Schlittenhunde nach der Operation wieder erfolgreich an den extremen Alaska-Schlittenhunderennen teil und Kniegelenksarthrosen heilten postoperativ wieder ab.Theorie
Die Grundlage der TPLO ist, dass sie erfolgreich die Instabilität, den sogenannten „Cranial Tibial Thrust“ (Vorschub des Schienbeins/Schubladenphänomen), der bei einem Riss des vorderen Kreuzbandes im Kniegelenk auftritt, verhindert.
Anders als wir Menschen haben Hunde eine schräge Gelenkfläche („Slope“). Diese Neigung der Schienbeingelenkfläche beträgt üblicherweise zwischen 20° und 30°, kann aber in extremen Fällen sogar mehr als 40° betragen. Wie ein Wagen auf einer schrägen Fläche hat die Gelenkwalze des Oberschenkelknochens die Tendenz diese Schräge herabzurutschen. Ein gesundes vorderes Kreuzband verhindert dies jedoch.
Das vordere Kreuzband ist bei jedem Schritt, den der Hund tut, unter einer gewissen Spannung. Wenn das Kreuzband beim Springen oder Rennen verletzt wird und erste Risse bekommt, kann es aufgrund der permanenten Spannung nicht mehr von alleine abheilen. Die Verletzung des Kreuzbandes führt zu einer Entzündung im Kniegelenk.
Die bei einer Gelenksentzündung in großem Maße gebildeten Entzündungsenzyme (Metalloproteasen) greifen das bereits geschädigte Kreuzband sowie den Gelenkknorpel an. Das Kreuzband wird dadurch weiter geschwächt, und es entwickelt sich eine Arthrose. Wie ein morsches Schiffstau, das unter Spannung steht, reißt das vordere Kreuzband irgendwann, meist bei einer normalen Belastungssituation des Kniegelenks („Minor Trauma“), vollständig. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits eine fortgeschrittene Arthrose im Kniegelenk zu beobachten.
Klinische Symptomatik
Meist geht dem eigentlichen Kreuzbandriss eine Lahmheit an der betroffenden Hintergliedmasse voraus, die beim Spielen, Toben oder Hundesport aufgetreten ist. Nicht selten stellt der konsultierte Tierarzt dann die Diagnose „Zerrung“ oder „Verstauchung“ und verabreicht ein Schmerzmittel. Dem Hund geht es nach einer mehrtägigen Ruhighaltung meist wieder besser.
Tatsächlich ist es aber zu einem Anriß des vorderen Kreuzbandes gekommen, und eine Arthrose beginnt sich zu entwickeln. In der Folgezeit tritt nach dem Aufstehen immer mal wieder eine kleine Lahmheit auf, die nach kurzer Einlaufzeit meist verschwindet. Der Hund springt nicht mehr so gerne ins Auto oder läuft die Treppen nicht mehr ganz so spontan hoch.
Auch das Hinsetzen klappt nicht ganz so beschwerdefrei. Wenn dann das Knie noch einmal vom Tierarzt untersucht wird, stellt dieser beim Röntgen eine Arthrose fest. Es werden Schmerzmittel gegeben und dem Hund geht es anschließend wieder besser. Da das Kreuzband nur angerissen ist, wird auch diesmal keine Instabilität des Kniegelenks festgestellt und die Kreuzbandverletzung übersehen. Als der Hund dann irgendwann auf der Wiese mit anderen Hunden herumtollt schreit er plötzlich kurz auf und kommt stark humpelt zu seinem Besitzer zurück.
Die Diagnose beim Tierarzt: Kreuzbandriss, fortgeschrittene Arthrose und eventuell zusätzlich ein Meniskusschaden.
OP-Methode
Bei der Operation erfolgt ein viertelkreisförmiger Knochenschnitt am oberen Ende des Schienbeins. Anschließend wird die Gelenkfläche des Schienbeinknochens nach einem zuvor berechneten Maß nach hinten rotiert. In dieser neuen Position wird sie mit einer Knochenplatte und Schrauben fixiert. Durch die Rotation wird die Neigung der Gelenkfläche reduziert. Das Ziel ist eine postoperative Neigung von 5°.
Der Winkel zwischen Kniescheibenband und Gelenkfläche beträgt dann etwa 90°. In Versuchen wurde festgestellt, dass bei dieser Neigung der Cranial tibial thrust neutralisiert und die Spannung des vorderen Kreuzbandes (wenn es noch nicht vollständig gerissen ist) deutlich reduziert wird. Sogenannte „Second Look“ Arthroskopien 2 Jahre nach einer TPLO konnten zeigen, dass bei 16 von 17 Hunden das angerissene Kreuzband noch bestand, der Gelenkknorpel, die Menisken und alle übrigen Gelenkstrukturen völlig normal und gesund waren.
Idealer Zeitpunkt für eine TPLO
Um einer massiven Arthroseentstehung im Kniegelenk vorzubeugen, sollte mit der Operation nicht solange gewartet werden, bis das Kreuzband komplett gerissen ist. Idealerweise wird die TPLO bereits bei einem Anriß des Kreuzbandes durchgeführt, um dem Entstehen weiterer Gelenkschäden (Arthrose, Meniskusruptur) vorzubeugen.
Wie läuft eine OP ab?
Das A und O einer erfolgreichen TPLO-Operation ist die Qualifikation des Tierarztes zum Kleintierchirurgen und die Erfahrung des Chirurgen mit dieser OP-Methode. Außerdem ist eine pingelige OP-Hygiene eine unerlässliche Bedingung für einen komplikationsarmen Heilungsverlauf.
Ein gutes Maß für die Hygiene einer Praxis ist die Dauer der postoperativen Antibiotikumgabe. Wird in der Praxis gut und hygienisch operiert, braucht es keine lange postoperative antibiotische Nachbehandlung. Eine Antibiotikumgabe maximal bis zu 24 Stunden postoperativ ist vollkommen ausreichend. Skepsis ist angebracht, wenn vom operierenden Tierarzt eine ein- bis zweiwöchige Antibiotikumtherapie angeordnet wird.
Tipp: Fragen Sie vor der geplanten Operation den Chirurgen, wie lange eine postoperative Antibiose notwendig ist. Wenn die Antwort 7, 10 oder 14 Tage lautet, dann stimmt etwas mit der Hygiene in der Praxis/Klinik nicht.
Am Tag der OP sollte der Hund nüchtern, d.h. 12 Stunden ohne Nahrungsaufnahme, sein und seinen Gassigang erfolgreich hinter sich haben. Nach einer kurzen Allgemeinuntersuchung mit besonderem Augenmerk auf die Narkosefähigkeit wird dem Hund ein Venenkatheter geschoben. Nach einer Prämedikation mit Diazepam und Schmerzmitteln wird die Narkose mit einem Kurznarkotikum (Propofol) eingeleitet. Anschließend wird der schlafende Hund in die OP-Vorbereitung gefahren und dort nach der Intubation an die Inhalationsnarkose, das Narkosemonitoring und die intravenöse Infusion angeschlossen.
Jetzt wird die betroffene Gliedmaße in verschiedenen Ebenen geröntgt. Dies ist für die Operationsplanung erforderlich. Nach dem Röntgen erfolgt die gründliche Rasur und das Waschen des Patienten. Bis zum Transport des Hundes in den OP sind je nach Größe des Patienten zum jetzigen Zeitpunkt ca. 2 Stunden vergangen. Im OP wird der Hund auf dem OP-Tisch gelagert, ausgebunden und an das Narkosesystem mit künstlicher Beatmung angeschlossen. Jetzt erfolgt die Gabe eines speziellen intravenösen Antibiotikums. Der Hund wird vom aseptisch vorbereiteten OP-Team mit sterilen OP-Tüchern abgedeckt, die Haut der betroffenen Gliedmaße mit sterilen Inzisionsfolien abgeklebt und der Instrumententisch mit dem gesamten benötigten Instrumentarium aufgebaut.
Nun beginnt die Operation:
Zunächst wird das Kniegelenk per Arthroskopie oder Miniarthrotomie inspiziert. Ein besonderes Augenmerk wird auf Meniskusschäden, Gelenkknorpelschäden oder andere Weichteiltraumata gerichtet. Hiernach wird das Gelenk wieder verschlossen. Anschließend wird auf der Innenseite etwas unterhalb des Kniegelenkes die Haut durchtrennt und die TPLO durchgeführt. Nach der Fixation des Knochenschnittes mit Platte und Schrauben wird noch im OP-Saal der Sitz der Implantate mit einem mobilen Röntgengerät (C-Bogen) kontrolliert.
Anschließend werden die eröffneten Gewebeschichten zugenäht und eine sterile Wundabdeckung auf die OP-Wunde geklebt. Nun wird der Hund aus dem OP in den Röntgenraum verbracht, und es werden Kontrollröntgenbilder zum Ausmessen des postoperativen Winkels des Tibiaplateaus angefertigt.
Abschließend kommt der Tierpatient auf die Aufwachstation, auf der er von einer Fachkraft während der Aufwachphase beaufsichtigt wird. Meist wird ihm noch ein starkes Schmerzmittel für die nächsten 12 Stunden verabreicht und die OP-Wunde mit Coolpads gekühlt. Abends wird der Hund nach der Abschlußbesprechung mit dem Besitzer nach Hause entlassen.
Welche Erfahrung mit der TPLO?
Wir operieren Kreuzbandrisse nach der TPLO-Methode seit über 15 Jahren. Gerade bei aktiven und sportlichen Hunden hat sich diese Operation sehr bewährt. Folgeschäden durch erneute Bänderrisse können bei der TPLO nach erfolgter Knochenheilung auch bei extremer Belastung nicht auftreten.
Womit sind die hohen Kosten einer TPLO begründet?
Für die TPLO ist eine spezielle Ausrüstung erforderlich (oszillierende Säge, Sägeblätter und Instrumentarium), es werden spezielle Implantate eingesetzt, die gründliche OP-Vorbereitung des Patienten dauert lange, es sind mehrere Röntgenaufnahmen erforderlich und die OP-Methode erfordert eine spezielle Ausbildung und jahrelanges Training.
Komplikationen:
Die häufigste Komplikation ist eine Wundinfektion. Dies kann durch strikten aseptischen Umgang mit dem Operationsfeld, möglichst minimal traumatisches Operieren, strikte Bewegungsruhe, konsequentes Verhindern des Beleckens der OP-Wunde (z.B. durch Halskragen), Wechsel der Wundpflaster unter sterilen Kautelen (Bedingungen) und postoperatives Kühlen der OP-Wunde (Verhinderung von Nachblutungen, Serombildung) verhindert werden.
Welche anderen OP-Methoden gibt es?
TTA
Eine der TPLO ähnliche Methode ist die TTA (Tuberositas Tibia Advancement). Bei dieser Operation wird ebenfalls mittels eines Knochenschnittes die Biomechanik des Kniegelenks verändert. Durch eine Nachvorneverlagerung des Kniescheibenbandes wird wie bei der TPLO ein nahezu rechter Winkel zwischen Kniescheibenband und Schienbeingelenksfläche erreicht.
Vorteil:
- Die Belastung des operierten Beines unmittelbar postoperativ erfolgt etwas schneller als nach einer TPLO
Nachteile:
- Die Belastung des operierten Beines 1 Jahr nach einer TTA ist etwas schlechter als ein Jahr nach einer TPLO
- Stärkeres Fortschreiten der Kniegelenksarthrose
- Signifikant höhere Zahl von Meniskusschäden postoperativ als nach einer TPLO
- Deutlich geringere Stabilität postoperativ als nach einer TPLO (Aktuelle Untersuchungen von Prof. Böttcher, Universität Leipzig)
Bandersatz, intrakapsulär
Diese Methode wird bei Menschen angewandt. Körpereigenes Material (Sehnen, Teile vom Kniescheibenband, Faszie) wird als Bandersatz anstelle des gerissenen Kreuzbandes eingesetzt.
Beim Hund hat sich diese Methode nicht bewährt. Aufgrund der bei Hunden nur unzureichend kontrollierbaren Belastung der Kniegelenke nach einer OP reißt der Bandersatz in vielen Fällen wieder.
Bandersatz, extrakapsulär (Ruby, Tightrope, Bandersatz nach Flo)
Der extrakapsuläre Bandersatz wird bei Kleintieren häufig verwendet. Hierbei wird ein Kunststoffband außerhalb des Gelenkes in der Verlaufsrichtung des vorderen Kreuzbandes angebracht. Die Art der Fixierung ist bei den jeweiligen OP-Methoden unterschiedlich. Dies kann mit Knochenankern im Oberschenkel und Schienbein (Ruby), mit Bohrlöchern im Oberschenkel und Schienbein (Tightrope) oder am Sesambein des Oberschenkels und mit Bohrloch am Schienbein (Flo) erfolgen.
Vorteile:
- Kürzere Narkose- und OP-Dauer
- Günstigerer Preis
Nachteile:
- Ersatzband kann genauso wie ein normales Kreuzband wieder reißen
- „Ausleiern“ (Osteolyse) der Knochenbohrlöcher bei der Tigthropemethode mit der Folge einer erneuten Instabilität
Der Grund für die Erfindung der TPLO war, dass die extrakapsulären Bandersatzmethoden bei großen Hunderassen nicht zu einem dauerhaften zuverlässigen Erfolg geführt haben.
Empfehlung zur OP-Methode
Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die TPLO die Methode der Wahl bei einem Riss des vorderen Kreuzbandes.
Vorteil:
- Dauerhafte und zuverlässige Stabilisierung des Kniegelenks auch bei starker Belastung
Nachteil:
- Hoher Preis
Als Alternative kann bei Katzen oder kleineren Hunden eine extrakapsuläre Bandersatzmethode erwogen werden, wenn aus finanziellen Gründen eine TPLO nicht in Frage kommt.